Mit Jesus im Gefängnis
Bhutan

Mit Jesus im Gefängnis

Tandin Wangyal / @ERF Medien

2014 wird Pastor Tandin Wangyal in seiner streng buddhistischen Heimat aufgrund seines Glaubens verhaftet. In einem Interview berichtet er von seiner Zeit im Gefängnis – und warum er trotz aller Widrigkeiten weiter in Bhutan bleiben und das Evangelium bezeugen will.

Sie sind in einer streng buddhistischen Familie aufgewachsen. Haben Sie als Kind jemals von Jesus Christus gehört?

Bis 1990 war unser Land Bhutan dem Christentum gegenüber ganz verschlossen. Dann hat es sich etwas geöffnet. Es gibt Inder, die im Nepal gelebt haben und vor vielen Jahren nach Bhutan geflohen sind. Diese Leute leben an der indischen Grenze und unter ihnen wurde das Evangelium verkündigt. Aber die ethnischen Bhutaner blieben davon unberührt.

Mein Vater war bei der Armee. Unser Zuhause war in einer großen Kaserne. Da gab es Angehörige der verschiedenen Völker und Stämme aus ganz Bhutan, eben auch indisch-stämmige Leute, die Christen waren. Als meine Mutter sehr krank wurde, hat eine Nachbarin vorsichtig angefangen, von Jesus zu sprechen. Meine Mutter antwortete ihr: „Wenn dieser Jesus, von dem du mir erzählst, meine Krankheit heilen und mich aus diesem Elend befreien kann, werde ich ihm folgen.

Wie war denn die damalige Situation Ihrer Mutter?

Die Ärzte hatten sie aufgegeben. Mein Vater hatte so viel Geld für die Gesundheit meiner Mutter ausgegeben, dass er vor dem Bankrott stand. Wir hatten auch Schamanenpriester eingeladen für ihre Zeremonien, die bei uns „Puja“ (pudscha) heißen. Aber sie hatten meine Mutter genauso wie die Ärzte aufgegeben.

Ihre Mutter wurde ja dann tatsächlich geheilt. Wie haben Sie darauf reagiert?

Meine Mutter war plötzlich eine völlig andere Frau. Zunächst körperlich verändert, aber auch in ihrem Wesen. Sie war eine sehr kämpferische Buddhistin gewesen, hatte immer Streit mit den Nachbarn und hatte viele Probleme. Ich war als Kind immer sehr religiös gewesen. Aber mein Leben war von Angst erfüllt. Ich war mir unsicher, wo ich nach meinem Tod sein würde. Ich rechnete damit, in die Hölle zu kommen – ähnlich wie in anderen Religionen wird sie im Buddhismus als ein Ort beschrieben, der traumatisiert. Wenn man Gutes tut in dieser Welt, werden buddhistische Gläubige mit Karma belohnt. Man wird also für Tausend Jahre in einem himmlischen Palast wiedergeboren. Sind aber alle guten Tagen verbraucht, kommt man an einen Ort, wo man direkt in die Hölle hineinschaut und erlebt wieder viele Qualen. Ich sehnte mich als Kind so sehr nach Rettung und Erlösung. Als sie mir meine Mutter die Gute Nachricht erklärte, wusste ich gleich, das ist es. Das möchte ich auch haben.

Sie haben sich also mit 14 Jahren dafür entschieden, Christ zu werden. Gab es daraufhin Probleme?

Mein Vater war sehr glücklich, weil er sah, wie gut es meiner Mutter jetzt ging. Er hatte das Wunder mit seinen eigenen Augen gesehen. Aber er erklärte: „Ich brauche Zeit, bis ich auch Jesus nachfolgen kann. Ich muss erst meine Arbeit beenden, denn ich arbeite ja für die Regierung. Ich werde euch nicht an eurem Glauben hindern, aber ich bleibe erst mal Buddhist.“ Als unsere Verwandten jedoch erfuhren, dass meine Mutter und ich Christen geworden waren, wollten sie mit uns nichts mehr zu tun haben. Als Internatsschüler setzten für mich viele Kämpfe ein. Im Internat gab es so gut wie keine Christen. Man muss dort morgens und abends zu den buddhistischen Gebeten gehen. Zuhause sagte mir meine Mama, wie ich als Christ zu leben hatte. Aber in der Schule wusste ich nicht, wie ich meinen Freunden beibringen sollte, dass ich nun Christ war. Wenn ich versuchte, davon zu sprechen, kamen Reaktionen wie: „Was, du bist Christ? Das ist doch eine fremde Religion?! Warum bloß Jesus? Der starb doch als ein Krimineller am Kreuz?!“ Ich musste als gläubiger Schüler im Internat jede Menge Sarkasmus und viel Erniedrigendes durchmachen.

Wie haben Sie das durchgehalten?

Meine Mutter hat mir immer gesagt, ich soll viel beten. Aber das war nicht so einfach. Ich erinnere ich mich an eine Nacht, wo ich einfach in den Garten hinausgegangen bin und dort auf meinen Knien zu Jesus gefleht habe. Alle meine Kameraden schliefen. Ich tat so, als müsste ich zur Toilette gehen, bin aber in den Garten. Dort habe ich Gott mein Herz ausgeschüttet. Keiner war da. Ich konnte Jesus mit hörbarer Stimme ansprechen. „Mein Gott, hilf mir, du bist der Gott, an den ich glaube. Aber du weißt, dass hier in meiner Umgebung 99,9 % aller Menschen gegen meinen Glauben an dich sind.“ Damals war ich noch ein Teenager. Ich musste wirklich kämpfen, weil ich kaum Freunde hatte. Niemand wollte mit mir als Christ zusammen sein.

Gab es denn Momente, in denen Sie die Gegenwart von Jesus gespürt haben?

Ja. Das habe ich oft gefühlt. Meine Gebete zu Jesus haben den Druck auf meiner Seele gelindert. Das waren Ruhepunkte in meinem stressigen Internatsleben.

Tandin mit seiner Frau / @privat

Wie ist in Ihnen der Wunsch gewachsen, ein Multiplikator für diesen neuen Glauben zu werden?

Als meine Mutter Christin wurde, hatte sie Jesus im Gebet versprochen: Eines meiner sieben Kinder soll in deinen Dienst gehen. Als sie mir das sagte, habe ich es erst abgelehnt. Ich wollte um keinen Preis ein christlicher Pastor werden. Das passte nicht zu meinen Vorstellungen von der Zukunft. Aber sie sagte mir: Doch, du bist der Richtige.

In den 90er Jahren gab es keine Ausbildung für angehende christliche Pastoren in Ihrer Heimat – wie haben Sie Theologie studiert?

Ich bin im Jahr 2000 nach Indien gegangen, um dort einen Bachelor in Theologie zu machen. Ich hatte ein Stipendium für drei Jahre. Dann habe ich eine wunderschöne, junge Frau geheiratet. Sie stammt aus Nordostindien, aus dem Ort, wo ich studiert habe. Wir sind zusammen nach Bhutan gezogen. 2004 konnte ich in ein Masterprogramm auf den Philippinen einsteigen. Dort ist unser ältester Sohn geboren und 2008 sind wir als Familie zurück nach Bhutan.

Damals gab es die ersten Wahlen und das Königreich hat sich ein wenig geöffnet. Was bedeutete das für die christlichen Gemeinden im Untergrund?

Für die Untergrundgemeinden haben sich damit große Hoffnungen verbunden. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es ja keine zivile Verfassung für unser Land. Jetzt aber können wir Gottesdienste feiern. Die neue Verfassung ist wirklich das wunderbarste Geschenk, das Seine Majestät, unser König, dem Volk von Bhutan geben konnte.

Was genau besagt diese Verfassung?

Dass der König der Beschützer für alle Religionen im Land ist. Das heißt, nicht nur für den Buddhismus – er ist Beschützer für alle Glaubensrichtungen. Alle Bürger haben das Recht, ihre Religion auszuüben.

Aber trotzdem wurden Sie aufgrund Ihres Glaubens verhaftet?

Ja, das hätte ich nie gedacht. Aber am 3. März 2014 war ich im Land unterwegs, um eine Gruppe von Christen zu unterrichten. Jemand, dessen Identität ich bis heute nicht kenne, wusste von meinem Aufenthalt dort. Diese Person hat mich dann bei den örtlichen Behörden angezeigt.

Sie waren über ein Jahr lang im Gefängnis – war das schwierig für Sie?

Ja, es war eine schwere Zeit. Ich vermisste meine Frau und meine drei Söhne. Ich wusste auch die ganze Zeit nicht, wann ich wieder freigelassen werden würde. Nach meiner Verhaftung musste ich erstmal einige Wochen auf eine Anklage warten. Zunächst versuchten die Beamten, die mich verhörten, eine Anklage aus dem Vorwurf der Bekehrung zu basteln, aber das war nicht erfolgreich. Dann versuchten sie es nach dem Bürgerlichen Recht, aber auch das klappte nicht.

Haben Sie erlebt, dass Jesus an Ihrer Seite war?

Nie war ich so nahe bei Jesus wie in dieser Zeit. Da war so eine Intimität mit ihm. Ich hatte im Gefängnis meine Bibel bekommen. Der für mich zuständige Vollzugsbeamte hat mir das erlaubt, weil er gemerkt hatte, dass ich kein Krimineller bin. Er sagte: „Wir haben keine Ahnung, wie lange Sie hier festgehalten werden. Wir wissen aber, Sie sind ein gebildeter Mann. Wollen Sie aktuelle Zeitschriften haben?“ „Danke“, antwortete ich. „Ich brauche keine Zeitschriften, aber ich wäre glücklich, wenn Sie mir meine Bibel zurückgeben könnten – das Buch, das Sie mit am ersten Tag meiner Haft abgenommen haben.“ Der örtliche Polizeichef kam schließlich persönlich zu mir und hat sie mir überreicht.

Konnten Sie während Ihrer Gefangenschaft auch mit anderen über Ihren Glauben sprechen?

Meine einzige Freiheit war – und die habe ich genossen – viel, viel Zeit fürs Gebet zu haben. In meinem ganzen Leben zuvor hatte ich nicht so gebetet wie in dieser Zeit. Gott war bei mir. Andere Gefangene haben sich schreiend beklagt, mich aber haben die Beamten meistens dabei angetroffen, wie ich in der Bibel las. Dafür wurde ich respektiert. Ich erinnere mich, wie eines Tages ein Wärter zu mir sagte: „Sie sind kein Krimineller und Sie sehen auch nicht aus, als wären Sie einer.“

Sie waren also in Einzelhaft?

Ja. Natürlich ist es der Körper, der eingesperrt ist. Aber wenn man allein in der Zelle ist, ist das eigentlich Schwierige, den Verstand in den Griff zu bekommen. Wenn der nicht mehr richtig funktioniert, dann führt das zum totalen Zusammenbruch. Man kann nur beten.

Tandin Wangyal / @ ERF Medien

Warum haben Sie nach Ihrer Freilassung das Land nicht verlassen?

Ich bin als Bhutaner geboren. Das ist mein Zuhause. Ich fühle mich dem Land verpflichtet, weil ich es liebe. Ich möchte als Christ alles für es tun, was mir möglich ist.

Wie ist die Situation der Christen heute in Bhutan?

Wir haben unsere Rechte durch die Verfassung. Ich glaube, die Probleme liegen oft mehr bei Provinzregierungen oder örtlichen Behörden. Die Schwierigkeiten für Christen haben viel damit zu tun, aus welchem Landesteil man kommt. Dann gibt es natürlich auch Missverständnisse oder schlechte Kommunikation. Manche Leute nützen das aus für ihre Absichten – so gibt es in bestimmten Situationen bei uns auch Christenverfolgung.

Was begeistert Sie am meisten an Jesus?

Vom ersten Tag an war es nicht leicht für uns, Jesusnachfolger zu sein. Ja, meine Mutter hatte diese wunderbare Heilung erlebt, als sie nahe am Tod war. Aber wir mussten mit dem Widerstand von Verwandten umgehen. Auch mit den Nachbarn war es schwierig. Für mich und unsere Familie war das alles wirklich nicht leicht. Aber in allem Leid und Widerstand – und sogar dann, als ich im Gefängnis war – bin ich Gott sei Dank meinem Glauben treu geblieben, weil Jesus mir als persönlicher Gott begegnet ist. Die Bibel beschreibt Gott als Freund und Vater. „Abba“ – das heißt ja Papa. So dürfen wir ihn anreden. Jesus verspricht seinen Jüngern: „Ich werde bei euch sein bis an das Ende der Welt!“ Das ist ein starkes Versprechen. Es gilt uns allen, unabhängig davon, in welchem Teil der Welt wir zuhause sind.

 

Nach einem Gespräch, das Ingrid Heinzelmaier für die Radiosendung Glaube global von ERF Medien geführt hat, nachzuhören in der Audiothek unter www.erf.de

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