"...macht alle Menschen zu meinen Jüngern."
Zentralasien

"...macht alle Menschen zu meinen Jüngern."

Baluan (Mitte) konnte die Gute Nachricht nicht für sich behalten. Er erzählte das Evangelium dem Handwerker Shokan (rechts) und seinem Kollegen Temir (links) und nun arbeiten die drei als Evangelisten zusammen.

Die drei Männer stehen an der belebten Straße einer Großstadt in Zentralasien und winken ein Taxi heran. Sie amüsieren sich darüber, wie ungeschickt sie sich dabei anstellen, weil sie es nicht gewohnt sind, eines zu benutzen. Es ist ihnen anzusehen, dass sie sich gegenseitig sehr mögen, sie verbindet ein tiefes Band der Freundschaft. Nachdem ihre eigenen Familien sie verstoßen haben, sind sie füreinander wie Brüder geworden. In der Stadt hatten sie sich für ein Gespräch getroffen. Nun steigen sie fröhlich lachend in das Taxi zum Busbahnhof, um ihre lange Heimreise in die ländlichen Gebiete Zentralasiens anzutreten.

Vier Jahre zuvor kannten sich die Männer noch nicht einmal. Baluan, mit dem ihre Freundschaft begonnen hat, besuchte zu diesem Zeitpunkt eine Schule für Islamwissenschaften. Er hasste Christen. Wenn seine christliche Schwester mit der Familie über Gott sprach, schimpfte er jedes Mal wütend. Eine seiner älteren Schwestern war zum Christentum konvertiert, nachdem ein Mann aus ihrem Dorf ihr das Evangelium erklärt hatte. Sie hatte daraufhin all ihre Schwestern zum Glauben an Jesus geführt.

Die meisten Menschen in Zentralasien sind zwar Muslime, aber viele von ihnen nur deshalb, weil es in ihrer Kultur so verankert ist. Die Abwendung vom Islam ist für sie anstößig, weil sie Schande über die Familie bringt.

Baluan war zwar ein zutiefst frommer Muslim und genoss seine Rolle als derjenige, der vom Minarett der Moschee aus die Muslime fünfmal täglich zum Gebet rief. Aber das veränderte Verhalten seiner Schwestern hinterließ einen tiefen Eindruck auf ihn – auch wenn ihre Worte über Jesus Christus sein Herz noch nicht erreicht hatten. Später, als junger verheirateter Mann Anfang 20, kam er an einen Wendepunkt in seinem Leben und begann seine eigene Suche nach der Wahrheit. Immer noch kamen Informationen aus zwei verschiedenen Richtungen bei ihm an: zum einen aus der Moschee und zum anderen von seinen Schwestern und deren christlichen Ehemännern. Die Wahrheit des Evangeliums brachte schließlich langsam aber sicher das muslimische Fundament seines Glaubens ins Wanken. Und eines Nachts im Jahr 2007 ging er weinend auf die Knie und bat Gott, ihm zu zeigen, welcher der richtige Weg sei: das Christentum oder der Islam.

Am nächsten Morgen erwachte er und ein ganz neuer Aspekt war ihm klar geworden: „Ich verstand plötzlich, dass Jesus der Herr und Heiland für MICH ganz persönlich ist.“ Ohne Umschweife ging er zu einem Freund und sagte ihm: „Der Islam ist nicht wahr. Jesus ist der Messias und er ist die Wahrheit.“

Es beschimpfte oder verprügelte ihn zwar niemand, aber ganz plötzlich verschwanden Freunde aus seinem Leben. Sie wechselten die Straßenseite, wenn sie ihn sahen, und Baluans Familie wurde nicht mehr zu Dorfveranstaltungen wie Hochzeiten oder Beerdigungen eingeladen. „Wir sind nun Fremde für sie“, erklärt er.

Trotzdem waren er und seine Frau fest entschlossen, sich in den Dienst Jesu zu stellen. „Meine Schwestern hatten mir von Jesus erzählt und mich und meine Frau so zum Glauben geführt. Also versuchten auch wir, die Gute Nachricht weiterzugeben“, sagt er. Stück für Stück entstand eine kleine Gemeinde mit ihm als Pastor. Und er sprach mit jedem, den er traf, über das Evangelium – so auch mit einem Handwerker, den er damit beauftragt hatte, seine Küche zu bauen.

Ein begabter Evangelist

Dieser Handwerker, Shokan, hatte Schwierigkeiten damit, dass sein Kunde im Namen Gottes des Vaters betete. Sein eigener Vater war kein guter Mensch, warum sollte jemand Gott seinen „Vater“ nennen? In Shokans Verständnis des Islam war Gott jemand, der einen bestrafte, wenn man Fehler machte. Als er Baluan fragte, warum er so betete, überraschte ihn dessen freundliche Antwort.

Aus den zwei Tagen, die für die Arbeit vorgesehen war, wurden zwei Monate; und anstatt an der Küche zu arbeiten, unterhielten sich die beiden lang und ausführlich über das Leben und den Glauben. „Jeden Tag sprachen wir einfach viel zu viel“, lacht Baluan. Obwohl Shokan noch nicht bereit war, Baluan zu sagen, dass er an Jesus glaubte, erzählte er inzwischen schon überall im Dorf herum, dass er Christ geworden sei. „Innerhalb eines Monats hatte der Herr mein Herz komplett verändert und ich hatte plötzlich Mitgefühl gegenüber anderen und wollte ihnen helfen“, sagt er. „Überall, wo ich hinging, erzählte ich von Jesus. Ich habe über nichts anderes mehr gesprochen.”

Als Shokan Baluan um eine Bibel bat, weigerte der sich. „Mir war wichtig, dass er erst so richtig ‚durstig‘ nach dem Wort Gottes wurde“, erklärt Baluan. „Das ist meine Methode.“ Er wollte sichergehen, dass die Menschen, denen er die wertvollen Bibeln gab, sie auch wirklich lesen würden.

Nach einem Monat war Shokan bereit, sein Leben Jesus zu übergeben. Er rief Baluan an und wollte wissen, wo er Buße tun und umkehren könne. Am 13. Oktober 2016 traf er sich mit Baluan, um seine Entscheidung für Jesus festzumachen.

Als Shokan danach wieder nach Hause zurückkehrte, kamen die Menschen gerade aus der Moschee in der Nähe seines Hauses. Es war ihm überhaupt nicht peinlich, als er voller Eifer für den Herrn einen Hügel hinaufging und sich an die etwa 100 Muslime wandte. „Sehr laut sagte ich zu ihnen: ‚Ich bin gekommen, um mit euch über Jesus zu reden. Jesus, der Sohn Gottes, ist für eure Sünden gestorben und wieder auferstanden. Wenn ihr weiterhin zur Moschee geht, könnt ihr nicht gerettet werden.“

Als die Geheimpolizei wenige Tage später bei ihm anrief, predigte er auch ihnen das Evangelium. Sie sagten ihm, er solle damit aufhören, anderen von Jesus zu erzählen, aber er antwortete, dass er das nicht könne. Schließlich gestattete ihm die Polizei, über seinen Glauben zu reden; allerdings nur ein seinen eigenen vier Wänden. Also musste Shokan kreativ werden: Sein Haus war das einzige Haus im Dorf mit Elektrizität. Also beschloss er, eine Antenne zu besorgen, die es ihm erlaubte, die Fußballspiele der Nationalmannschaft über Fernsehen zu empfangen. Er wusste, wie sehr seine Landsleute Fußball liebten. Und nun war er der Einzige im Ort, bei dem sie die Fußballweltmeisterschaft verfolgen konnten. Shokan lud seine Nachbarn ein, die Spiele in seinem Haus anzusehen, aber er stellte eine Bedingung, dass sie schon um 20 Uhr da sein mussten – obwohl aufgrund der Zeitverschiebung die Spiele erst nachts übertragen wurden. So hatte er in den dunklen Winterabenden eine aufmerksame Zuhörerschaft. „Ich erzählte ihnen von Jesus, predigte und ging dann zu Bett, während sie anschließend Fußball schauten.“

Bevor Shokan Christ wurde, schlug er seine Frau regelmäßig „sehr heftig und ohne Gnade, weil es im Islam in Ordnung ist, wenn man seine Frau schlägt“, sagt er. Damit hörte er auf – ebenso mit dem Trinken und Rauchen. Seiner Frau fielen die positiven Veränderungen auf. Aber sie hatte Angst, wie ihre Onkel, die sehr strenge Muslime waren, reagieren würden. „Immer, wenn ich meiner Frau aus der Bibel vorlas, vergrub sie ihren Kopf unter dem Kopfkissen“, erinnert sich Shokan. Also las er so laut vor, dass sie es nicht ignorieren konnte. Jeden Abend las er außerdem auch seinem achtjährigen Sohn daraus vor … und seine Frau hörte unfreiwilligerweise zu. Innerhalb von zwei Monaten kam sie zum Glauben.

Baluan erkannte Shokans Gabe dafür, andere zu Jesus zu führen, und stellte ihn vor eine Herausforderung: Da es in einem benachbarten Dorf noch keine Christen gab, schlug er Shokan vor, dorthin zu ziehen, um eine Gemeinde zu gründen.

In vielen zentralasiatischen Ländern, die einst der Sowjetunion angehörten, gibt es eine lange Tradition der russisch-sprechenden orthodoxen Kirche. Die Menschen in diesen Ländern assoziieren das Christentum jedoch oft mit ihrem ehemaligen Unterdrücker. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wendeten sich deshalb viele intensiver dem Islam zu. Es waren allerdings gerade russische Evangelikale, die als erste in den neuen unabhängigen Staaten Zentralasiens evangelisierten. Und während es in den 1990er-Jahren nur eine Handvoll Christen in dem Land gab, in dem Baluan und Shokan leben, sind es inzwischen etwa 2.000.

Shokan nahm die Herausforderung an. Aber in den ersten vier bis fünf Monaten wurde er von seinen neuen Nachbarn im Dorf nicht willkommen geheißen. Und während sie ihren Müll vor seinem Haus abluden, räumten er und seine Frau ihn immer wieder stillschweigend auf ... Schließlich kamen ihre Nachbarn auf sie zu und stellten Fragen. Sie wollten wissen, warum sie so anders waren. Mittlerweile sind etwa zweieinhalb Jahre vergangen und Shokan hat ein gutes Verhältnis zu seinen Nachbarn. Er leitet eine kleine Hausgemeinde von acht Gläubigen und vier weiteren Mitgliedern, die sehr offen für das Evangelium sind.

Baluan ist inzwischen Pastor einer kleinen Gemeinde und leitet andere im Glauben an
Temir (weißer Pullover) ist erst seit knapp zwei Jahren Christ. Seine Familie hat ihn deshalb aus dem Haus geworfen.

Die Gemeinde Gottes wächst

Während Shokan umzog, um eine Gemeinde zu gründen, gab Baluan die Gute Nachricht von Jesus nach wie vor in seinem Dorf weiter. Auf der Arbeit redete er so viel von Gott, dass seine Kollegen ihn nur noch “den Papst” nannten. Sie gaben einem anderen Mitarbeiter namens Temir den Rat, sich von ihm fern zu halten, weil er wie ein Russe geworden sei und seinen Glauben verraten hätte. Aber Temir beobachtete Baluan und stellte fest, dass dieser ein vorbildliches Leben führte.

Als Temir begann, nach der Wahrheit zu suchen, fing er an, Baluan Fragen über Gott zu stellen. Dieselben Fragen stellte er auch einem muslimischen Geistlichen und verglich die jeweiligen Antworten miteinander. Viele Muslime in Zentralasien lesen den Koran auf Arabisch, einer Sprache, die sie selbst nicht verstehen. Weil er den Inhalt des Korans mit dem der Bibel vergleichen wollte, besorgte sich Temir also einen Koran in seiner Muttersprache und begann, ihn ausführlich zu studieren. Genau zwei Jahre nachdem Shokan Christ geworden war, bekehrte sich schließlich auch Temir, und zwar am 13. Oktober 2018. „Das war der glücklichste Tag in meinem Leben!“, lächelt Temir.

Als wenige Wochen später einer seiner Kollegen ihn fragte, ob er Christ geworden sei, verneinte Temir. „Ich war nicht mutig genug“, gibt er zu. Aber als das Thema ein zweites Mal auf den Tisch kam, war er bereit. „Ich folge Jesus“, sagte er – und die Neuigkeit verbreitete sich rasch … Der Eigentümer der Firma, für die Temir arbeitete, war auch ein Freund seines Vaters. Er warnte Temir: Wenn er weiterhin darauf bestehen würde, Christ zu sein, würde er gefeuert werden. Und eines Tages stellten ihn sein Vater zusammen mit seinen Onkeln und einigen muslimischen Geistlichen zur Rede. Sie umzingelten ihn und begannen, ihn lautstark mit Anschuldigungen zu beschimpfen, aber Temir berichtet, dass er innerlich völlig ruhig bleiben konnte. „Sie gaben mir überhaupt keine Gelegenheit, zu antworten“, erinnert er sich. „Sie stellten immer nur Fragen … aber hörten mir überhaupt nicht zu.“ Schließlich erhob er seine Stimme. „Bitte, seid still!“ Dann erklärte Temir ihnen, dass das Neue Testament ihn gelehrt habe, seine Feinde zu lieben. „Ihr seid meine Verwandtschaft, meine Onkel und mein Vater“, sagte er. „Auch wenn ihr mich nicht akzeptiert, akzeptiere ich euch.“ Trotzdem verlangte sein Vater von ihm und seiner Frau, aus dem gemeinsamen Haus auszuziehen, um keine Schande über die Familie zu bringen.

Auch Temirs Frau wurde Christin und etwa ein Jahr später ließ sich das junge Paar taufen. „Wir haben jetzt ein gutes Leben“, sagt Temir. „Preist den Herrn!“ Und zu diesem guten Leben gehört auch die tiefe Freundschaft mit Shokan und Baluan. Letzterer kümmert sich um die beiden neuen Christen und unterweist sie im Glauben – so, wie sie wiederum andere im Glauben anleiten.

Nach ihrer kurzen Taxifahrt zum Busbahnhof verbringen die drei ihre Heimreise lachend, aber auch mit ernsten Gesprächen, in denen sie sich gegenseitig ermutigen. Wahrscheinlich werden sie auf dieser Fahrt auch jedem, der ihnen zuhört, von Jesus zu erzählen. Shokan und Temir haben aufgrund ihres Glaubens gerade keine einfachen Beziehungen zu ihren unmittelbaren Verwandten. Doch zusammen mit Baluan arbeiten mutig sie daran, dass noch mehr Menschen in Zentralasien zum Glauben an Jesus Christus finden.

Projektinfo

Die HMK in Zentralasien

In Zusammenarbeit mit Projektpartnern kümmert sich die HMK um die Ausbildung christlicher Leiter, unterstützt Untergrundgemeinden und eine Bibelschule. Vor allem konvertierte Frauen haben es in Zentralasien schwer, sie gelten schon aufgrund ihres Geschlechts als minderwertig und werden von ihren muslimischen Männern und Familien enorm unter Druck gesetzt – mithilfe der HMK erhalten sie psychologischen und seelsorgerlichen Beistand. Christliche Leiter und Pastoren bekommen die Möglichkeit einer Auszeit in einem benachbarten Land, in dem keine Verfolgung herrscht. Dort werden sie individuell und ganzheitlich betreut, damit sie auftanken und mit neuer Kraft in ihre Heimat zurückkehren können.

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