Gegen die Angst
Arabische Halbinsel

Gegen die Angst

Als ehemaliger Muslim beschloss Ibrahim, seinen Landsleuten das Evangelium zu bringen. Dabei verlor er beinahe alles.

Als hingebungsvoller Muslim war Ibrahim immer bereit, den Koran zu verteidigen. Eines Tages, es war im Jahr 1997, betrat ein Mann sein kleines Geschäft. Doch anstatt etwas zu kaufen, stellte er ihm eine befremdliche Frage: "Haben Sie jemals die Bibel gelesen?" Überheblich wies Ibrahim den Mann darauf hin, dass die Bibel voller Irrtümer und Verzerrungen sei.

Doch sie unterhielten sich noch kurz. Am Ende ihres Gesprächs gab der Mann Ibrahim ein Neues Testament und forderte ihn auf, es zu lesen. Ibrahim stimmte zu – in der festen Absicht, sich jeden problematischen Vers, den er fand, zu merken. Aber je mehr er in der Bibel las, desto mehr Probleme bekam er plötzlich mit dem Koran. "Ich wollte dem Mann helfen, ein Muslim zu werden. Aber das fiel mir immer schwerer", erinnert sich Ibrahim.

Nachdem er Jesu Aufforderung gelesen hatte, Feinde zu lieben und diejenigen zu segnen, die einen verfluchen, zog Ibrahim ernsthaft in Betracht, den Islam zu verlassen. Aber damit würde er Schande über seine Familie bringen und sich selbst in Lebensgefahr begeben. 

Dennoch fuhr er fort, die Heilige Schrift zu studieren, und bat Gott, ihm den richtigen Weg zu zeigen. Ungefähr ein Jahr später traf er schließlich eine Entscheidung und setzte sein Vertrauen in Christus. „Es war ein Monat vor dem Ramadan, als ich Jesus als meinen Herrn annahm“, erzählt Ibrahim, „und tiefer Friede erfüllte plötzlich mein Herz.“

Ein Abtrünniger

Der Friede, den Ibrahim empfand, wurde bald von extremer Angst begleitet. Vier Jahre lang versteckte er seine Bibel im Hinterhof und las sie heimlich, immer in der Befürchtung, dass er jeden Tag von seiner Frau oder einer anderen Person erwischt werden könnte. Und Ibrahim hatte tatsächlich allen Grund, Angst zu haben: Auf der Arabischen Halbinsel können Konvertiten ganz offiziell zum Tode verurteilt werden. Extremistische Gruppen wie al-Qaida und anhaltende politische Konflikte erschweren das Leben der Gläubigen zusätzlich.

Aber eines Tages, so berichtet er, entschied er sich gegen diese Angst: „Ich hatte keine Lust mehr, Angst zu haben, und fragte mich: ‚Wenn ich an Jesus glaube und daran, dass er mir ewiges Leben schenkt – warum sollte ich mich dann noch fürchten?' Wenn sie kommen, um mich zu töten, dann sollen sie kommen – ich war bereit. So hat Gott meine große Angst in großen Mut verwandelt.“

Nach seiner Taufe im Jahr 2002 hatte Ibrahim den Eindruck, er solle eine Gemeinde gründen. Daraufhin beschloss er, seinen Glauben und seine Vision mit seiner Frau Fatima zu teilen. Als er es ihr erzählte, wurde sie wütend, dass er den Islam verlassen hatte und ein „Kafir“ – ein Ungläubiger – geworden war. Neben ihrer Wut machte sich Ibrahims Frau aber auch Sorgen darum, wie ihre islamische Gemeinschaft und ihre Familie reagieren würden. „Jesus war für mich jemand, der mein Zuhause und meine Familie ruiniert hatte“, sagt sie. Fatima forderte die Scheidung. Doch Ibrahim lehnte ab, weil das gegen seinen christlichen Glauben verstieß. Fatima konnte die Veränderungen im Verhalten ihres Mannes nicht leugnen. Er hatte aufgehört, mit anderen Frauen zu flirten und brachte ihr mehr Respekt entgegen.

Auf der Arabischen Halbinsel kann der „Abfall vom Islam“ mit dem Tode bestraft werden

Der Preis der Nachfolge

Schließlich erfuhr die Verwandtschaft von Ibrahims Glauben an Jesus Christus und beide Familien verstießen sie. Sie konnten und wollten nicht mit der Schande leben, dass ihr Sohn ein Ungläubiger geworden war. Ibrahims Familie erzählte ihren Nachbarn sogar, dass er bei einem Unfall ums Leben gekommen sei.

Trotz alledem begann Ibrahim verstärkt damit, das Land zu bereisen und Neubekehrte im christlichen Glauben zu unterrichten, bis er 2009 ins Visier von Extremisten geriet. Islamisten verbreiteten Ibrahims Namen und den Standort seines Geschäfts im Internet. Sie behaupteten, er habe die Menschen gezwungen, auf den Koran zu trampeln. „Das stimmte einfach nicht“, erklärt Ibrahim. “Sie sagten das nur, um mir zu schaden.”

Ibrahim hatte Todesangst und beschloss, zu fliehen. Nachdem er wochenlang um Gottes Weisung gebetet hatte, hatte er das Gefühl, er solle sich in einem Nachbarland niederlassen. Er ließ seine Frau mit ihren beiden Söhne in der Heimat zurück – und eine Gemeinde, die inzwischen auf mehr als 60 Gläubige angewachsen war.

Im Nachbarland angekommen, betete Ibrahim intensiv für die Bekehrung seiner Familie. Wenn er gerade nicht einer Arbeit bei einem muslimischen Ladenbesitzer nachging, teilte er das Evangelium mit Migranten aus seiner Heimat auf dem Markt. Im Laufe der Zeit führte er drei von ihnen zum Glauben an Christus. Sie gründeten eine Hauskirche.

Unterdessen hatte Fatima angefangen, Englischunterricht bei einer Ausländerin zu nehmen. Diese forderte sie auf, die Bibel zu lesen, um etwas über die Religion ihres Mannes zu lernen. Fatima verglich die Lehren des Korans über Rache mit den Aussagen Jesu über Liebe, Vergebung und Barmherzigkeit. Mehr und mehr fühlte sie sich zu Gottes Wort hingezogen. Doch sie zögerte, Christin zu werden. "Es war schrecklich", sagt sie. „Ich hatte das Gefühl, meine Familie und meine Herkunft zu verraten."

Eines Nachts im Februar 2010 änderte sich für Fatima jedoch alles. Sie träumte von einem Mann in Weiß, der sie mit den Worten „Hab keine Angst“ beruhigte. Zitternd erwachte sie und wusste, dass der Traum nur von Gott kommen konnte. Fatima akzeptierte Christus als ihren Retter. Als sie Ibrahim anrief und ihm die Neuigkeiten mitteilte, überschlugen sich die „Halleluja“-Rufe am anderen Ende der Leitung. Zwei Monate später gelangten Fatima und ihre Kinder zu Ibrahim ins Nachbarland.

Als Ibrahim und seine Familie wiederholt heftig von Islamisten angegriffen wurden, flohen sie in ein anderes Land nach Afrika. In den ersten Monaten erlebte die Familie in diesem neuen Land viele Anfechtungen. Sie kannten niemanden. Sie sprachen die Sprache nicht. Sie hatten Probleme, Arbeit zu finden. Ihr Sohn Yousef erhob schwere Vorwürfe gegen seine Eltern. "Das waren die schwersten zwei Monate, die ich durchgemacht habe", sagt Ibrahim.

Eine neue Aufgabe

Weil sie keine Möglichkeit zur Gemeinschaft mit anderen Christen hatten, gründete die Familie eine eigene Kirche. Jeden Donnerstag aßen sie gemeinsam, lasen die Bibel und beteten den Gott an, der sie bis hierher durchgebracht hatte. Sie vertrauten darauf, dass er weiterhin eine Aufgabe für sie hatte.

Als Ibrahims Visum beinahe abgelaufen war, beantragte er den Flüchtlingsstatus, der ihm später gewährt wurde. Dadurch traf er auf andere Flüchtlinge von der Arabischen Halbinsel. Er betete: „Danke, Herr. Jetzt verstehe ich, warum Du mich hierher geschickt hast!" Ibrahims „Familienkirche“ entwickelte sich bald zu einer Hauskirche, als einige ihrer Landsleute und sogar eine Handvoll sudanesischer Flüchtlinge begannen, sich ihren arabischen Gottesdiensten anzuschließen. Die Familie von Ibrahim durchlebte teilweise Zeiten, die finanziell äußerst knapp waren. Immer wieder erlebten sie aber auch, wie Jesus sie durch seine weltweite Gemeinde versorgte. So konnten sie mit anderen Gläubigen teilen, was sie hatten. "Das alles kommt Gott", bekennt Ibrahim. "Ich wusste, Jesus würde für uns sorgen, weil ich sein Werk tue.“

Bis heute arbeitet Ibrahims Gemeinde treu unter Flüchtlingen aus seiner Heimat, bezeugt den Glauben an Christus und verteilt Bibeln. Ein Raum in Ibrahims Haus dient als Aufbewahrungsort für Lebensmittel, die er wöchentlich an 50 Einwanderer-Familien verteilt. Außerdem ist Ibrahim sehr stolz auf eine junge Fußballmannschaft seiner Gemeinde, die er mit Uniformen und Ausrüstung ausstatten konnte. "Aber über allem steht unser großes Ziel, Jesus zu verherrlichen", sagt Ibrahim. Von Widerständen und Verleumdungen lässt er sich nicht entmutigen. „Wir möchten den Muslimen unsere Verbundenheit ausdrücken, auch wenn wir Christen sind. Wir wollen ihnen Liebe zeigen.“

Ibrahim evangelisiert unter seinen Landsleuten und durfte schon einige von ihnen taufen

Erntezeit

Seit 2013 hat Ibrahims Team 13 Flüchtlinge aus seiner Heimat getauft, und sie rechnen damit, bald drei weitere zu taufen.

Vor etwa einem Jahr hat sich Ibrahims Sohn Yousef dem Dienst seines Vaters angeschlossen. Er setzt sich für geflüchtete Landsleute ein und hilft bei der Gründung von Kirchen. Yousef ist inzwischen Mitte zwanzig, hat ein Bibelstudium absolviert und studiert jetzt Film und soziale Medien. Diese Werkzeuge möchte er nutzen, um das Evangelium zu verbreiten und auf Angebote der Gemeinde aufmerksam zu machen.

Ibrahim sieht die jetzige Situation als "Erntezeit". Er sagt, er habe bei seinen Landsleuten noch nie so eine Offenheit für das Evangelium gesehen. „Momentan ist es nicht schwer, ihnen von Jesus zu erzählen. Ich bin überzeugt, dass es gerade an der Zeit ist, zu reden und aktiv zu sein. “

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