Gottes Führung
Iran

Gottes Führung

An einem Abend im Januar 2021 schauten sich Ramtin Soodmand und seine Frau Mitra zusammen einen Film an, als es auf einmal an ihrer Wohnungstür in Teheran klopfte. Als Ramtin die Tür aufmachte, drangen 16 Beamte des Geheimdienstes in ihre Wohnung ein.

Sie konfiszierten sofort die Handys von Ramtin und Mitra, schlossen die Fenster und Gardinen, so dass niemand mitbekommen konnte, was hier vorging. Dann durchsuchten sie die Schränke, während ein Beamter alles filmte. Bibeln, christliche Bücher, Laptops und alles, was verdächtig schien, wurde konfisziert. Als Ramita, die 20jährige Tochter, aus ihrem Zimmer kam, um zu sehen, was der Lärm zu bedeuten hatten, schrie sie vor Schreck und fing an zu weinen. Etwas später kam auch Rayan, ihr Bruder, nach Hause und konnte nicht fassen, was los war.

Ein Teil von Ramtins Familie bei einem Hausgottesdienst in einem anderen Land.

Ein verführerisches Angebot

Man befragte Ramtin über die Zusammenarbeit der Familie mit der illegalen iranischen Hauskirchenbewegung. Während des mehrstündigen Verhörs wollten einige Polizisten die Kinder Ramita und Rayan separat vernehmen, aber das ließ ihre Mutter nicht zu. Dann wollten die Beamten mit dem Ehepaar reden. „Wir wissen alles. Wenn Sie mit uns kooperieren, werden Sie weder ins Gefängnis gehen müssen, noch von ihrer Arbeit abgehalten werden.“ Die Beamten boten Ramtin an, aus ihm einen „legalen“ Pastor zu machen. Er könnte seine eigene Gemeinde haben und sogar ein eigenes Gebäude für Gottesdienste. Die Kirche würde legal sein und die Gemeindeglieder könnten sich auch in aller Öffentlichkeit treffen. Sie würden sich jedoch an die vorgegebenen Richtlinien halten müssen, und die Gemeinde bestünde aus Menschen, die von der Regierung handverlesen worden wären. „Wir können Ihnen helfen, ein bekannter Pastor im Iran zu werden, ein Pastor, der seine eigene legale Kirche hat“, sagte einer der Polizisten.

Sie versprachen ihm, dass er weltweit bei religiösen Konferenzen dabei sein könnte - natürlich nur als Vertreter der von der Regierung erlaubten Ansichten. Ramtin würde der Welt zeigen können, dass die Kirche im Iran völlige Religionsfreiheit hätte und dass Menschen von allen möglichen Hintergründen – auch aus dem Islam – dazu gehören könnten. „Es gibt viele Pastoren im Iran und auch außerhalb des Landes, die mit uns kooperieren“, sagte der Beamte. „Sie wären nicht der erste. Das wäre eine gute Gelegenheit, ihren Lebensstandard zu verbessern.“

Nachdem sie dem Ehepaar ihre Vorschläge unterbreitet hatten, erinnerten sie Ramtin noch einmal daran, dass er ins Gefängnis käme, sollte er nicht kooperieren.  Zwei Minuten Zeit bekamen sie für ihre Entscheidung, danach würde man Ramtin entweder sofort festnehmen oder dazu verpflichten, in zwei Tagen seine Zusammenarbeit mit der Regierung zu beginnen.

Ramtin und Mitra wussten beide, dass Ramtin im Gefängnis vermutlich gefoltert würde. Als Diabetiker mit  Herzproblemen würde er dort sehr leiden. „Ich stehe hinter dir, wie auch immer du dich entscheidest“, versprach Mitra ihrem Mann. Sie unterschrieben beide ein Dokument, das Ramtin verpflichtete, sich in zwei Tagen im Büro der Geheimpolizei einzufinden. Dann, fünf Stunden, nachdem sie das Heim der Familie Soodmand gestürmt hatten, gingen die Beamten um 2 Uhr nachts.

Ramtin hatte keinerlei Ambitionen, auf das Angebot der Regierung einzugehen. Er hatte dem Treffen nur zugestimmt, um nicht gleich verhaftet zu werden. „Ich kann nicht mit der Armee des Teufels zusammenarbeiten“, sagte er.

Einschüchtern, schikanieren, einsperren

Die Familie war durcheinander und aufgeregt. Was sollten sie jetzt machen? Ramtin wusste genau, was ihn erwartete, wenn er ablehnen würde, ein „Marionettenpastor“ der Regierung zu sein. Wegen seines christlichen Dienstes hatte er schon einmal mehr als neun Wochen im Gefängnis und 40 Tage in Einzelhaft verbracht. Er hatte keine Angst vor dem Gefängnis, dachte aber an seine Familie. Sein Sohn Rayan hatte schon fast die 11. Klasse geschafft, und Ramita studierte auf einer Hochschule.

Ramtin wusste, wie grausam die iranische Regierung sein konnte. Als er 16 Jahre alt war, wurde sein Vater, Pastor Hossein Soodmand Radkani (Foto unten), wegen „Abfall vom Islam“ hingerichtet. Seine blinde Mutter musste danach allein für ihn und seine drei Geschwister sorgen. Immer wieder hatte Ramtin miterlebt, wie die iranische Regierung Christen überall im Iran einschüchtert, schikaniert oder einsperrt. Das iranische Grundgesetz verbietet es Muslimen, dem Islam den Rücken zu kehren. Christen werden auf Grund von Anklagen wie z.B. „Propaganda gegen das Regime“ oder „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ eingesperrt. Allein der Besitz einer Bibel oder das Reden über Jesus Christus können als strafbare Handlungen interpretiert werden.

Missionarisch zu leben ist schon seit der Gründung der Islamischen Republik Iran im Jahre 1979 illegal. Dass es trotzdem immer mehr Christen gab und gibt, ist den religiösen und politischen Leitern eine große Sorge. Obwohl die Maßnahmen zur Verfolgung von Christen intensiviert wurden, ist die Gemeinde Jesu im Iran immer noch eine der am schnellsten wachsenden in der Welt. Zwischen 2009 und 2012 wurden fast alle Farsi-sprechenden Kirchen im Land geschlossen. Oft wurden Christen inhaftiert, zu einer Geldstrafe verurteilt und dann freigelassen, in der Hoffnung, dass sie das Land verlassen würden. In den letzten Jahren wurde diese Taktik jedoch dahingehend geändert, dass verurteilte Christen jetzt in einem anderen Teil des Landes im Exil leben müssen.

„Im Willen Gottes zu sein, das ist wirklich wichtig für meine Familie und mich.“

Vorbereitet für den Fall der Fälle

Ramtin war sich all der Risiken bewusst gewesen und hatte stets sehr vorsichtig gearbeitet – 30 Jahre lang. Als einer der Leiter der iranischen Hauskirchenbewegung war er in viele als illegal geltende Aktivitäten involviert gewesen, wie z.B. die Weitergabe des Evangeliums oder das Unterrichten von neubekehrten Christen im Glauben und die Ausbildung von Gemeindeleitern. Hauskirchenleiter bevorzugen es oft, Einzelgespräche zu führen, um sicher zu gehen, dass keiner der Geschwister in der Gefahr steht, bei einer Befragung Namen anderer Christen preiszugeben. Aber die Regierung hatte ihn offenbar dennoch auf dem Radar gehabt und wollte sein Verhalten nicht länger dulden.

Dass es einmal so weit kommen könnte, hatte Ramtin gewusst. Er hatte sich auf diesen Moment so gut es ging vorbereitet. Zwei Jahre zuvor hatte er mit dem Direktor des Iranischen Theologischen Seminars darüber gesprochen, dass er andere Christen in seine Aufgaben einarbeiten wollte, damit die Arbeit der Hauskirchen nicht aufhören würde. Er wählte einige treue Geschwister für diese Aufgabe aus und begann, sie darauf vorzubereiten, seinen Dienst übernehmen zu können. Zwei Jahre lang konnten sie zusammenarbeiten, bevor der iranische Geheimdienst eingriff.

Gottes Leitung folgen

Nachdem die Beamten an jenem Morgen im Januar ihre Wohnung verlassen hatten, mussten Ramtin und Mitra davon ausgehen, dass sie irgendwo ein Abhörgerät hinterlassen hatten. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich schriftlich darüber auszutauschen, wie es nun weitergehen sollte. Es war eine schmerzhafte Wahl: Ramtin liebt sein Land genauso wie seine Kinder ihre Heimat lieben. Er wusste, dass sie alles verlieren würden, wenn sie den Iran verließen. Aber als er Ramita und Rayan nach ihrer Meinung fragte, antworteten sie: „Papa, machʹ es so, wie Gott dich führt.“  

Schließlich entschied sich die Familie dafür, dass Ramtin das Land verlassen würde, statt sich im Büro des Geheimdienstes zu melden. Am nächsten Tag gingen er und Mitra durch die Stadt. Sie wussten, dass sie beobachtet wurden. Schon eine einfache Umarmung könnte ihren Verfolgern den Hinweis geben, dass Ramtin plante, das Land zu verlassen. Sie fanden einen Ort, an dem sie sich ungestört voneinander verabschieden konnten und gingen danach in verschiedenen Richtungen davon. Sie waren sicher, sich eines Tages wieder zu treffen – außerhalb ihres Landes. So verließ Ramtin allein das Land. Einige Monate später konnten Mitra und die Kinder nachkommen.

Ramtin sprach mit unserem Partner einige Zeit nach seiner Flucht. „Ich bin nicht sicher wegen meiner Entscheidung – habe ich richtig oder falsch gehandelt?“ fragte er mit erstickter Stimme. „Ich bete den ganzen Tag und frage Gott: ´Bin ich hier am richtigen Platz?´ Das ist für mich eine sehr schwierige Situation. Ich bin jetzt in Sicherheit. Darüber bin ich froh, aber Sicherheit ist nicht das Wichtigste in meinem Leben. Im Willen Gottes zu sein, das ist wirklich wichtig für meine Familie und mich.“

Ramtin ist sehr dankbar, dass während all der Jahre, die er im Iran gearbeitet hat, Geschwister wie unser Partner hinter ihm und seiner Familie gestanden haben. „Ich danke Gott für seine große Familie und seine Liebe, die uns als einen Leib verbindet.“

Bitte beten Sie

für Ramtin, Mitra, Ramita und Rayan für Wegweisung und dass sie auch weiterhin vielen Menschen zum Segen werden können. Bitte beten Sie auch für die vielen Leiter der Untergrundkirchen im Iran um Kraft und Weisheit.

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