Im Gefängnis mit Richard Wurmbrand
nach einem Text von Todd Nettleton

Im Gefängnis mit Richard Wurmbrand

Pastor Andrew Brunson (Bild oben: Norine Brunson, Andrews Frau)

Sein Fall erregte internationales Aufsehen: Nach 23 Jahren Dienst in der Türkei wurde der amerikanische Pastor Andrew Brunson im Jahr 2016 unter falschen Anschuldigungen in der Türkei festgenommen. Der Vorwurf: Er sei ein Spion und hätte sich daran beteiligt, die türkische Regierung stürzen zu wollen. Knapp zwei Jahre später kam er auf Druck der amerikanischen Regierung wieder frei. In einem Interview beschreibt er die bedrückende Zeit der Haft. Er erzählt ehrlich davon, wie die Zeit im Gefängnis ihn zerbrochen hat. Davon, wie enttäuscht er davon war, dass Gott es zuließ, ihn so viel leiden zu lassen und gleichzeitig schwieg – obwohl er genau in dieser Zeit Gottes Zuspruch gebraucht hätte. Und Pastor Brunson spricht offen über die Angst, während der Haft langsam aber sicher den Verstand zu verlieren.

„Ich geriet manchmal regelrecht aus dem Gleichgewicht und es gab Zeiten, in denen ich mich fragte, was real ist und was nicht“, sagt er. „Ich konnte fühlen, wie ich über eine Grenze rutschte … und konnte mich gerade noch so am eigenen Schopf wieder herausziehen. Ich hatte Angst, dass ich das eines Tages nicht mehr schaffen würde.“ Andrew erzählt von Schlaflosigkeit und davon, dass er an einen Punkt kam, wo er über Selbstmord nachdachte.

In einem Gespräch mit Todd Nettleton, Moderator des Radiosenders von „Voice of the Martyrs“ berichtet er auch davon, dass er im Gefängnis Bücher von Richard Wurmbrand wie „Gefoltert für Christus“ oder „In Gottes Untergrund“ las. Er hatte sogar ein Bild von Richard Wurmbrand aus einem dieser Bücher gerissen und neben das Bild seiner Familie an die Zellenwand geheftet. „Ich habe viel Zeit mit Richard Wurmbrand im Gefängnis verbracht“, sagt Andrew. Doch er war oft auch frustriert, dass er nicht so sein konnte wie sein Vorbild, dass sein Glaube nicht so stark war und er nicht die Freude spüren konnte, die Pastor Wurmbrand in seinen Büchern beschreibt.

Der Pastor erklärt, dass er wusste, dass Gottes Gnade mit ihm im Gefängnis war. Aber die meiste Zeit über sei es eine „ungefühlte Gnade“ gewesen. Er empfand keine Freude. Er fühlte Gottes Gegenwart nicht. Er hörte Gottes Stimme nicht. Und er konnte nicht verstehen, warum. Inmitten dieser geistlichen Finsternis traf er eine Entscheidung, die nicht auf Gefühlen, sondern auf einem bewussten Willensakt beruhte: „Ich werde Jesus vertrauen, auch wenn ich seine Gegenwart nicht spüren kann und selbst wenn er schweigt. Ich werde gehorsam sein, auch wenn ich den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringe.“

Auch hier inspirierte ihn ein Buch Richard Wurmbrands. Dieser hatte über die Anweisungen Jesu in den Seligpreisungen geschrieben. „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und allerlei Böses gegen euch reden und dabei lügen. Seid fröhlich und jubelt; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden (Matthäus 5, 11-12).“ Richard Wurmbrand betont in seinem Text, dass dies keine Anregung von Jesus sei, sondern ein Befehl. Und wie könnte man seine übergroße Freude besser zeigen als durch Tanzen? Also tanzte Richard Wurmbrand in seiner Einzelzelle, allein vor Gott. Für ihn war es eine Frage geistlicher Disziplin.

Nachdem er Wurmbrands Geschichte gelesen hatte, beschloss Andrew, auch diesem Gebot Christi zu folgen, unabhängig von seinen Gefühlen. Und so begann er, jeden Tag vor Gott zu tanzen. „Ich beschloss, dass ich das Gleiche tun würde, was Wurmbrand getan hatte“, erklärt Andrew. „Nicht aus irgendwelchen Gefühlen heraus, denn ich empfand weder Glück noch Freude oder Jubel. Ich sagte mir: ‚Hier geht es darum, den Worten Jesu zu gehorchen.‘“

„Also nahm ich mir jeden Tag fünf Minuten dafür und begann mit den Worten: ‚Es tut mir leid, dass ich nicht fröhlich sein und nicht jubeln kann, wie du es mir aufgetragen hast ... Das bereue ich; ich tue Buße. Bitte verzeihe mir. Ich werde jetzt einen Akt der Freude vollziehen. Ich fühle es nicht, aber du siehst, was ich tue. Dies ist ein Schritt des Gehorsams ... Ich werde unter diesen schrecklichen Umständen froh vor dir sein. Ich bin von meiner Frau und meinen Kindern getrennt. Ich weiß nicht, wie es weitergeht oder was mit mir geschehen wird, ich bin einsam und im Gefängnis. Aber ich werde mich freuen.‘  Und dann fing ich an zu tanzen und hüpfte herum. Es war kein großartiger Tanz, aber ich hüpfte herum, ich sprang, ich tanzte vor Gott. Jeden Tag. Fünf Minuten lang … Ich fühlte dabei nichts, sondern sagte: ‚Ich tue das für Jesus. Ich leide für Jesus. Es wird mir Lohn bringen, und ich möchte gehorsam sein und dies als eine Freude betrachten.‘“

Andews Geschichte ist keine Geschichte von überwältigendem Trost oder großer Freude; er sagt sogar, das Gefängnis habe ihn gebrochen. Aber was er in dieser Gebrochenheit fand, war die Liebe zu Jesus. An einem Tiefpunkt angekommen, öffnete Andrew seinen Mund und die Worte, die herauskamen, überraschten ihn. Es waren keine Worte der Bitte, des Klagens oder der Beschwerde. Was stattdessen herauskam, war eine einfache Erklärung: „Ich liebe dich, Jesus.“ Mit dieser Liebe und der Entschlossenheit, Christus ungeachtet seiner Gefühle zu gehorchen, ging Andrew Brunson durch seine Haftzeit hindurch.

Pastor Brunson während seiner Zeit im Gefängnis

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