Ein ehrlicher „Verbrecher“?
Nordafrika

Ein ehrlicher „Verbrecher“?

Für Fawzy gehören Polizeiverhöre inzwischen so selbstverständlich zu seinem Alltag, dass er sie kaum noch registriert. Er evangelisiert und gründet Gemeinden in seiner Heimat in Nordafrika. Seine Zeit verbringt er damit, sich mit frisch bekehrten Christen oder anderen Menschen zu treffen, die mehr über Jesus wissen wollen. Doch seine Aktivitäten werden von islamischen Führern und Regierungsbeamten, die Angst vor Unruhen haben, als Bedrohung wahrgenommen.

Der erste Besuch von Regierungsbehörden bei ihm zu Hause fand Ende der 1980er Jahre statt, nur drei Monate, nachdem er gläubig geworden war. Nachdem die Polizei den damals 17-jährigen Fawzy in seiner Wohnung festgenommen hatte, brachten sie ihn auf das Polizeirevier und verhörten ihn mehr als sechs Stunden lang. Dabei fragten sie ihn auch, ob er Christ geworden sei. Obwohl er Angst hatte, blieb sein Glaube stark. "Ich hatte das Gefühl, dass eine Kraft, eine Hoffnung in meinem Herzen war", erklärt Fawzy. Er sagte der Polizei mutig, dass er den Islam zugunsten des Christentums verlassen habe, nachdem er die Bibel in einem Fernkurs studiert hatte.

Nur drei Monate später erschienen die Behörden erneut für eine lange Befragung und sagten ihm, dass der einzige Grund, warum sie ihn nicht verhafteten, der sei, dass er noch minderjährig ist. Sie warnten ihn: Sollte er nach seinem 18. Geburtstag immer noch Christ sein, würde er die nächsten zwei Jahre im Gefängnis verbringen.

Zu Fawzys großer Erleichterung ließen ihn die Behörden jedoch die kommenden 14 Jahre in Ruhe. Und obwohl seine Familienangehörigen alle gläubige Muslime waren, ließen sie ihn in seinem christlichen Glauben gewähren und machten ihm deswegen keine Probleme. Einer seiner Brüder, Mitglied einer extremistischen muslimischen Organisation, sagte ihm sogar, er sei der beste seiner Brüder. „Ich bin nur deshalb gut, weil ich an Jesus glaube“, antwortete ihm Fawzy.

Während dieser 14 Jahre wuchs Fawzy im Glauben, erhielt seine erste vollständige Bibel und bekam Unterweisung im Glauben von einem älteren Christen. Dann gründete er 2004 mit einem anderen Gläubigen eine Gemeinde, die auf 20 Mitglieder anwuchs, und die Polizei begann bald, ihn zu regelmäßigen "Treffen" einzuberufen. Fawzy erzählt, dass sie seine Telefongespräche überwachten und ihn genau beobachteten, aber nicht in der Lage waren, ihn wegen irgendetwas anzuklagen.

Fawzy evangelisiert unter seinen Landsleuten und ist bereit, den Preis dafür zu zahlen
Das Herz von Christen wie Fawzy schlägt dafür, die muslimische Mehrheit in ihrem Land zu erreichen

Eine Zeit der Läuterung beginnt

Einige Jahre später begann die Regierung systematisch, Ausländer – darunter auch Christen – des Landes zu verweisen. Die Gläubigen in Nordafrika bekamen Angst und die Zahl der Mitglieder von Fawzys Hauskirche sank auf fünf Personen. Es war eine schwierige Zeit für die kleine Ortsgemeinde, aber laut Fawzy war es auch eine Zeit der Läuterung und des geistlichen Wachstums. Er erkannte, dass sie sich in ihrem Glauben zu sehr von Christen aus dem Ausland abhängig gemacht hatten. Die Regierung drängte sie nun in unbeabsichtigter Weise dazu, in ihrem Glauben zu reifen und selbstständig zu werden.

Nachdem die meisten Christen mit ausländischen Wurzeln ausgewiesen worden waren, wurde Fawzy als Gemeindegründer für die Polizei „sichtbarer“. Er wurde noch häufiger zu Verhören einbestellt, sah aber in jeder Vernehmung eine Gelegenheit, seinen Glauben zu bezeugen. Als sie ihn fragten, wie er zu Jesus gefunden habe, erzählte er ihnen, wie er zum Glauben gekommen war. Und er sprach von der Vision, die er kurz nach seiner Bekehrung gesehen und in der Jesus ihm gesagt hatte, er solle den schmalen Weg gehen. Einer der Ermittler sagte einmal zu Fawzy, er sei der erste „wahre Gläubige“, dem er jemals begegnet ist.

Fawzy wurde wiederholt dazu befragt, inwiefern er Beziehungen zu Ausländern pflege. Viele Muslime in Fawzys Heimat glauben, dass Ausländer Menschen dafür bezahlen, zum Christentum zu konvertieren, deshalb wollten seine Vernehmer wissen, wie viel Geld und andere Vergünstigungen er von ausländischen Christen erhalten hatte. Fawzy versicherte ihnen: „Ich bin direkt durch Jesus Christus zum Glauben gekommen, nicht über irgendeinen Ausländer.“

Als gläubiger Mensch ist Fawzy bekannt als jemand, der vertrauenswürdig ist, und dieser Ruf hat sogar die Sicherheitskräfte erreicht. „Sie sitzen mit mir zusammen im Café“, erzählt Fawzy. „Sie ... wissen alles, jedes Detail. Sie sagen: ‚Wir wissen, dass Sie seit mehr als 20 Jahren Christ sind. Wir wissen, dass Sie die Kirche besuchen. ... Wir wissen, dass Sie ein wahrer Gläubiger in Christus sind. Aber gleichzeitig stelle ich fest, dass Sie gute Beziehungen pflegen, sich anständig verhalten und anderen mit Respekt begegnen.‘“ Fawzy erklärt ihnen dann, dass seine Ehrlichkeit von seinem Christsein herrührt. Und obwohl sie ihn respektieren, fragen sie ihn weiterhin aus, ob er mit Ausländern oder Gläubigen aus anderen Städten zusammenarbeitet. Sie befürchten nach wie vor, dass sein Engagement politisch motiviert ist. Den Behörden ist inzwischen klar, dass er nicht aufhören wird zu evangelisieren, also drängen sie ihn dazu, es möglichst still und leise zu tun.

Seine ständigen Probleme mit der Polizei beunruhigen Fawzy nicht. „Selbst wenn die Behörden gegen uns sind, Gott ist mit uns“, sagt er. „Meine größte Sorge ist nicht, was uns passieren könnte. Meine größte Sorge gilt der Frage: Wie kann ich ein Botschafter Gottes sein?!“

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