Gott handelt trotz Chaos und Verzweiflung
Iran

Gott handelt trotz Chaos und Verzweiflung

Immer wieder flammen im Iran Unruhen auf / Foto: Reuters

Ali* lebt und arbeitet seit vielen Jahren als Missionar im Iran. In einem Interview berichtet er über die Situation im Land und über Gottes Wirken unter den Iranern.

Wie ist die Lage im heutigen Iran?

Im Iran herrscht Chaos. Die Menschen randalieren, sie sind verärgert und hoffnungslos. Die US-Sanktionen gegen das Land waren verheerend, man muss im Grunde genommen ein ganzes Bündel Bargeld in die Hand nehmen, um Fleisch, Käse oder Obst zu kaufen. Die Menschen kommen nur noch aus ihren Häusern, weil sie essen müssen. Sie müssen etwas essen, also gehen sie zur Arbeit. Aber sie sind total deprimiert. Alle stehen unter Druck und haben Angst vor der Zukunft. Aber diese wirtschaftlichen, sozialen, politischen und religiösen Unruhen sind gerade der perfekte Moment für die Botschaft von Jesus Christus.

Was meinst du damit, wenn du sagst, das sei der perfekte Moment für die Botschaft von Jesus Christus?

In Zeiten von Chaos und Verzweiflung fangen die Menschen an, nachzudenken, weil das, was sie für wichtig hielten, plötzlich nicht mehr wichtig ist. Sie haben zum Beispiel erlebt, dass materielle Dinge mit einer einzigen Entscheidung über Nacht ihren Wert verlieren – ohne dass sie die Kontrolle darüber gehabt hätten. Dann fragen sie sich: Was hat überhaupt einen Wert? Wozu lebe ich noch? Warum hat Gott mich überhaupt erschaffen?
Eigentlich ist es gerade eine der „schönsten“ Zeiten. Seit vielen Jahren diene ich nun im Iran und ich kann sagen, dass sich gerade viel verändert. Gott ist wirklich mächtig am Wirken.

Kannst du uns sein paar Begebenheiten aus deiner Arbeit erzählen?

Uns begegnete beispielsweise ein Mann, der weinte. Wir fragten ihn: "Warum weinst du?" Er sagte: "Weil ich und meine Tochter Epilepsie haben.“ Er war beim Imam-Reza-Schrein gewesen; das ist ein Schrein im Iran, an dem man angeblich geheilt werden kann. Die Menschen, die dort hingehen, essen, schlafen und duschen – kurz: Sie leben im Grunde genommen dort. Sie lassen sich buchstäblich mit einem Seil an den Schrein fesseln, um auf Heilung zu warten. Dieser Mann hatte acht Jahre dort verbracht. Aber nichts war passiert. Dann kam er in die Hauptstadt Teheran, wo die medizinische Versorgung etwas besser ist, aber auch hier konnte man ihm nicht helfen. Inzwischen hatte seine Tochter sogar schon Anfälle im Schlaf. Einer meiner Mitarbeiter sagte zu ihm: „Weißt du was? Gott wird dir und deinem Kind den besten Schlaf eures Lebens schenken!“ Dann betete er ein ganz einfaches Gebet. „Herr, bitte – lass diesen Mann und seine Tochter so gut schlafen wie noch nie zuvor.“ In der darauffolgenden Woche kam der Mann wieder und bat: „Bitte, erzählt mir mehr von diesem Gott! Wer ist dieser Gott? Es war ein so einfaches Gebet! Ich und meine Tochter hatten den besten Schlaf aller Zeiten.“ Auf diese Art und Weise führen wir die Menschen zu Jesus.

Und was passiert, wenn Muslime den wahren Gott erkannt haben?

Sie finden einen Sinn in ihrem Leben. Sie werden innerlich frei. Sie sind Gott zutiefst gehorsam und wollen einfach jedem von ihm erzählen. Und dann verändern sie sich. Zum Beispiel die Männer: Aus dem zornigen Vater, der nie da war, wird plötzlich ein liebevoller Papa, der sich um seine Kinder und um seine Frau kümmert. Ich habe Frauen kennengelernt, die, als sie Christinnen wurden, sogar ihren Vergewaltigern vergaben. Natürlich ist Gott kein Supermarkt, der dir einfach alle deine Wünsche erfüllt. Aber es geht darum, dass er sich wirklich um uns kümmert. Gott begegnet den Muslimen genau an dem Punkt, wo sie es brauchen, und zeigt ihnen, dass er ein persönlicher Gott ist, der ihre Not sieht und sich um sie sorgt. Er will das Beste für sie und hat einen guten Plan für ihr Leben.

Was du da tust, ist sehr gefährlich. Du könntest verhaftet werden oder noch weitaus Schlimmeres. Wie gehst du mit dieser Gefahr um? Wie denkst du über Verfolgung?

Zuallererst: Verfolgung hält einen sauber. Wenn man in einem Land lebt, in dem Christen verfolgt werden, gibt man sich große Mühe, nicht zu sündigen. Und zwar nicht, weil Gott einen sonst weniger liebt oder man besonders heilig sein müsste. Man will einfach, dass Gottes Hand über einem bleibt. Wir wollen dem Feind keine Tür öffnen und ihm so eine Möglichkeit geben, uns anzugreifen. Satan schleicht wie ein brüllender Löwe um uns herum, um nach Angriffspunkten zu suchen. Die wollen wir ihm nicht bieten. Also bleiben wir „rein“.

Außerdem habe ich gelernt, ganz und gar Gott zu vertrauen. Gott sei Dank herrscht in Amerika und Europa Freiheit. Aber das hat dazu geführt, dass wir meinen, uns nicht mehr ganz und gar auf Gott verlassen zu müssen. In meiner Situation aber bin ich dazu gezwungen. Manchmal ist es sogar so, dass ich im Gefängnis gelandet wäre, hätte ich nicht vorher gebetet und gefastet. Wenn zum Beispiel Unruhen ausbrechen, die Menschen demonstrieren und die Geheimpolizei unterwegs ist – dann beten wir „Herr, gib uns eine Strategie! Was sollen wir tun?“ Und wir fasten. Um ehrlich zu sein: Durch die Verfolgung im Iran habe ich erst verstanden, welche Kraft im Gebet und im Fasten steckt – und darin, eng mit seinem Wort verbunden zu bleiben. Es hat dazu geführt, dass ich konstant in einer Haltung des Gebets lebe. Denn: Wenn ich nicht bete, wenn ich nicht mit Gott spreche und seine Stimme höre, dann könnte ich einen Fehler machen, einen falschen Schritt – und es könnte ziemlich böse enden. Es könnte mich mein Leben kosten.

Mutige Christen wie Ali geben das Evangelium an Iraner weiter, obwohl sie dafür im Gefängnis landen könnten (Symbolbild)
Die Taufe ist im Iran verboten

Was sagst du deinen Mitarbeitern? Bereitest du sie auf Verfolgung vor?

Auf jeden Fall! Ich bin überzeugt davon, dass wir erst leiden müssen, bevor wir Gottes Herrlichkeit mit ihm teilen dürfen. Da ist zum Beispiel Joseph: Als Lieblingssohn war er für Großes bestimmt. Aber er musste leiden. Er wurde verkauft, kam in die Sklaverei, verbrachte 17 Jahre im Gefängnis. Dann erst wurde er zweiter Mann im Land und herrschte. Oder Mose: Als Pharaos Ziehsohn hatte er alles. Aber was passierte? 40 Jahre in der Wüste. Er musste erst leiden, bevor er herrschen durfte. Und wenn man sich David anguckt, dann war es ähnlich: Er wurde von Samuel zum König gesalbt. Aber erst wurde er von Saul verfolgt, bevor er wirklich König werden konnte. Ich könnte so viele Beispiele aus der Bibel nennen, wo vor der Herrlichkeit erst einmal das Leid kommt.

Gibt es eine bestimmte Bibelstelle, die dich besonders ermutigt – vor allem in Hinblick auf die Situation, die gerade im Iran herrscht?

Ja, ich habe gerade das Buch Hiob gelesen. Wie er trotz des ganzen Leids weder zornig noch bitter wurde, das hat mich angesprochen – denn ich werde manchmal angesichts vieler Dinge im Iran wütend. Ich frage mich dann: “Warum klappt dies und jenes gerade nicht? Mache ich irgendetwas falsch?!” Hiob hat ja auch nichts falsch gemacht und trotzdem musste er viel erleiden. Aber er hat in allem auf den Herrn geschaut und seinen Blick an ihm festgemacht! Und gegen Ende des Buches wird deutlich, dass Gott gut ist. Das müssen wir wirklich verinnerlichen: Gott ist gut! Er liebt uns so sehr, dass alles, was uns widerfährt, ihn verherrlicht. Wohlgemerkt: Es ist nicht immer zu unserer, aber immer zu seiner Ehre!!

Kämpfst du mit Angst?

Sehr. Ich glaube, jeder, der etwas anderes behauptet, lügt. Niemand möchte gern verhaftet werden. Ich ziehe viel Trost aus dem Gebet.

Wie können wir für dich und deine Mitarbeiter beten?

In der Tiefe meines Herzens bin ich eigentlich ein eher pessimistischer Typ, aber es ist das erste Mal während meiner Zeit in Iran, dass ich das Gefühl habe, wir stehen an der Schwelle zu einer Bewegung, in der der Heilige Geist wie ein gewaltiger Sturm wirkt. Deshalb ist mein erstes Gebetsanliegen, dass wir die Weisheit bekommen, unsere Segel richtig zu setzen – dass wir den richtigen Moment abpassen. Ich bin wirklich von ganzem Herzen überzeugt davon, dass nicht nur im Iran, sondern darüber hinaus auch in Afghanistan, Kurdistan, Saudi-Arabien, Jemen, dem Kuwait – dass überall dort Gott so mächtig eingreifen wird, dass wir die Anzahl der Bekehrungen nicht mehr werden zählen können.

Der Iran ist den restlichen Ländern des Nahen Ostens um etwa 30 Jahre voraus. Als die Revolution stattfand, haben die Menschen gedacht, dass mit der islamischen Herrschaft alles besser wird. Sie haben an eine islamische Utopie geglaubt. Aber mit den Jahren kam die Enttäuschung, nun geht es ihnen sogar schlechter als zuvor. Sie haben alles verloren und sagen sich nun, dass der Islam nicht die Antwort sein kann. Sie lehnen den Islam inzwischen von ganzem Herzen ab, weil sie sein wahres Gesicht kennengelernt haben. In den arabischen Ländern hoffen sie noch auf diese Revolution, diese islamische Utopie. Sie haben, im Gegensatz zu den Iranern, noch nicht verstanden, dass der Islam nicht die Lösung ist. Es gibt wirklich viele Iraner, die Träume und Visionen haben, in denen ihnen Jesus Christus begegnet! Ich wurde einmal zu einem Mann in einer Stadt gerufen, dem etwas ganz und gar Verrücktes passiert war. Er erzählte mir, dass eines Tages ein in weiß gekleideter Mann mit Bart an seine Tür klopfte. Als er ihm öffnete, sagte dieser Mann ihm, er solle Folgendes aufschreiben: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ Er zeigte mir sein Notizbuch und da stand wortwörtlich das gesamte Johannesevangelium drin! Das hat mich echt umgehauen. Jesus wirkt gerade ganz besonders im Iran. Warum? Weil hier alle Sprachen des Nahen und Mittleren Ostens gesprochen werden. Im Iran leben Assyrer, Armenier, Araber, Afghanen, Paschtunen, Türken, Turkmenen ... Wenn Iraner zum Glauben kommen, dann bedeutet das, dass die gesamte Region zum Glauben kommen wird. Denn wenn die Türken Christen werden, gehen sie anschließend zurück in ihr Heimatland – ebenso wie die Afghanen, die im Iran Christen werden. Auch die Juden. Ich glaube, das ist der Grund, warum Gott den Iran als strategisch wichtigen Punkt nutzt.

Und wie können wir für den Iran und seine Menschen beten?

Dass das Chaos weitergeht. Die meisten Menschen meinen ja, wir sollten für Veränderung im Iran beten. Aber wenn man sich anschaut, was in Russland und Osteuropa nach dem Fall des Eisernen Vorhangs passiert ist ... oder in China, als Geld ins Land floss … dann kann man erkennen, dass die Erweckung plötzlich aufgehört hat. Wir sollten lieber dafür beten, dass der Iran ein islamisches Land bleibt. Ich wünsche mir, dass eines Tages in den Nachrichten kommt, dass diese Nation, die den radikalen Islam exportiert, inzwischen zu zehn Prozent christlich geworden ist – und dass ihre Regierung nicht weiß, was sie tun soll.

*Name aus Sicherheitsgründen geändert

Veranstaltungshinweis

Auf den „Tagen der Verfolgten Gemeinde“ vom 26.2. – 1.3.2020 im Haus Höhenblick, Braunfels, wird Dan Baumann von seiner Hafterfahrung im Iran berichten.  

Christenverfolgung im Iran
Länderinfo

Christenverfolgung im Iran

Die Islamische Revolution von 1979 unter der Führung von Ayatollah Khomeini führte zur Gründung einer Theokratie im Iran: Seit mehr als 40 Jahren ist er somit die einzige Nation der Welt, deren offizielle Staatsreligion der schiitische Islam ist. Das Land setzt sich aktiv für die Ausweitung des schiitischen Islam ein, indem es beispielsweise islamistische Terrororganisationen in Syrien und im Libanon unterstützt. Armut, Arbeitslosigkeit und Unterdrückung seitens der Regierung haben dazu geführt, dass viele Iraner frustriert und vom Islam enttäuscht sind. In den vergangenen Jahrzehnten ist die Anzahl von Menschen, die unter Depressionen leiden, extrem angestiegen – ebenso die Selbstmordrate und der Drogenmissbrauch. Das berichtet das christliche Werk Heart4Iran. Diese Verzweiflung hat aber auch Türen für das Evangelium geöffnet, das über Satellitenfernsehen und Internet in das Land gelangt. Immer mehr Iraner werden Christen. Diese Konvertiten versammeln sich heimlich in ihren Häusern und bekommen über christliche Medien, die in das Land geschmuggelt werden, oder auch Satelliten-Fernseh­programme biblische Unterweisung im Glauben, da es nur wenige Bibeln im Land gibt und es verboten ist, sie zu importieren oder im Land drucken zu lassen. Die iranische Regierung ist eines der am stärksten unterdrückendsten Regime weltweit; es hat ein Netzwerk von Informanten in jeder Stadt. Vom Islam zum Christentum überzutreten ist verboten. Vor allem Christen mit muslimischem Hintergrund stehen ständig in der Gefahr, verhaftet und wegen des "Vorgehens gegen die nationale Sicherheit" angeklagt zu werden. Sie werden nicht selten von ihren Arbeitgebern entlassen und – einmal als Christen bekannt – ist es schwierig für sie, wieder einen neuen Job zu finden. Oft werden sie auch aus ihren Mietwohnungen vertrieben. Christliche Leiter und Pastoren kommen oft ins Gefängnis und ihre Familien werden schikaniert. Einigen bleibt keine andere Wahl, als aus dem Land zu fliehen.

Anteilnehmen und Lernen

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Das Magazin gibt den um ihres Glaubens Willens verfolgten und bedrängten Christen eine Stimme durch ...

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