Evangelist wider Willen
Nordkorea

Evangelist wider Willen

Kyung-ja* driftete immer wieder in die Bewusstlosigkeit ab, während ihr Kopf wiederholt von einem Knüppel getroffen wurde. Zwischendurch hörte sie, wie die Gefängniswärterin die Worte „Bibel“, „Gott“ und „Jesus“ schrie. Kyung-ja war 56 Jahre alt und hatte diese Worte ihr ganzes Leben lang noch nie gehört gehabt.

Gott wirkt auch an den Orten, an den wir es uns schwer vorstellen können.

Sie verstand durchaus, warum die Gefängniswärterin sie wie eine Kriminelle verhörte und sie über ihre kürzliche Reise nach China und die Flucht ihrer Tochter nach Südkorea ausfragte. Doch Kyung-ja konnte nicht so ganz verstehen, warum die Wärterin Fragen stellte über ein sogenanntes „Christentum.“

„Zum allerersten mal hörte ich etwas vom Christentum durch die Gefängniswärterin, die mich folterte“, erzählt Kyung-ja. Die verwirrenden und andauernden Fragen der Frau weckten Kyung-jas Neugier. Obwohl sie keinerlei Glauben noch irgendeine Vorstellung von Gott hatte, wollte sie jetzt unbedingt wissen, was das Christentum so gefährlich machte.

Ein gefährlicher Glaube

Kyung-ja war bereits zwei Mal inhaftiert worden, weil sie illegal nach China eingereist war. Dieses Mal war die Haft jedoch wesentlich schlimmer. Anstatt sie zwei Monate in eines der Arbeitslager zu sperren und sie „umzuerziehen“, wurde sie schwer misshandelt und gefoltert. Der Grund war wohl, dass ihre Tochter nach Südkorea geflohen war.

Nachdem sie Kyung-ja zwei Monate lang gefoltert hatte, kam die Gefängniswärterin zu der Überzeugung, dass Kyung-ja wirklich keinerlei Kontakte zu Christen innerhalb Nordkoreas hatte. Kyung-ja wurde entlassen und in ein Arbeitslager geschickt. Ihre Fragen über das Christentum nahm sie dorthin aber mit.  Als sie ankam, fragte sie einen Mitgefangenen bei der ersten Gelegenheit: „Sag mal, wer ist Gott? Was ist die Bibel?“ Dieser antworte vorsichtig: „Ja, beides gibt es. Aber du darfst nicht danach fragen. Sei nur still.“ Die Tatsache, dass der Mitgefangene Angst hatte, darüber zu sprechen, bestätigte Kyung-jas Vermutung, dass das Christentum eine verbotene Religion war und nur Kriminelle daran glaubten.

"Es war alles Gottes Gnade."

Sehnsucht nach Freiheit

Kyung-ja verbrachte die nächsten sechs Monate in diesem Arbeitslager, wo sie sehr schwere Arbeit verrichten musste und die Bedingungen menschenunwürdig waren. Jeden Tag sah sie mit an, wie Mitgefangene verstarben. Gründe dafür waren Verletzungen durch die gnadenlosen Prügelattacken der Wärter und die entsetzlichen Umstände im Lager. Kyung-ja sehnte sich nach Freiheit. Ihr Mann war während einer ihrer vorherigen Inhaftierungen verstorben; und sie wollte Zeit mit ihrer Tochter verbringen, die nun in Südkorea lebte. Ein weiterer Grund für ihre Freiheitsbestrebungen war, dass sie mehr über das Christentum erfahren wollte. Dann, nach sechs Monaten Arbeitslager, war es soweit. Kyung-ja ist überzeugt, dass die Wärter sie gehen ließen, weil sie ihnen die Wahrheit über ihre Reise nach China erzählt hatte: Sie musste einfach fliehen, um zu überleben und ihre erweiterte Familie zu ernähren. Zu der Zeit flohen viele Nordkoreaner über die Grenze, um Nahrung zu finden. Nach ein paar Monaten der „Umerziehung“ in Arbeitslagern nach ihrer Rückkehr wurden sie dann meist freigelassen.

Kyung-jas Tochter in Südkorea konnte nach einer Weile genug Geld aufbringen, um ihrer Mutter zur Flucht nach Südkorea zu verhelfen. Bei einem ersten Telefongespräch zwischen den beiden in Freiheit bekam Kyung-ja dann endlich die lang ersehnten Antworten über das Christentum: Dieses gab es wirklich und der Gott, den Christen anbeten, ist lebendig! Bald darauf vertraute sie ihr ganzes Leben Jesus an und fand echte Freiheit in dem Gott, von dem sie zum allerersten Mal im Gefängnis gehört hatte.

Heute lebt Kyung-ja in Südkorea. Sie verpasst keinen Gottesdienst in ihrer Gemeinde und erzählt anderen eifrig von Jesus. Wenn sie darüber nachdenkt, wie die Samen des Glaubens ausgerechnet von ihrer Peinigerin in ihr Herz ausgestreut wurden, überkommt sie ein starkes Gefühl der Dankbarkeit. Ihre Liebe zu Jesus wächst stetig und sie ist bereit, ihm bis zu ihrem Tode nachzufolgen. „Wenn ich zurückschaue, erkenne ich eines: Es war alles Gnade.“

*Name von der Redaktion geändert

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